Logo Oben


Kuba nach der Revolution

Bevor Fidel Castro am 1. Januar 1959 in Havanna einmarschierte, kannte Kuba keine eigentliche Kulturpolitik. Dies änderte sich unter dem neuen Regime schlagartig. Der Staat nahm sich der Kultur unter dem Motto "Kultur und Politik werden zwei Namen der gleichen Sache sein: Verbesserung des Menschen und der Menschen". Damit griffen sie die Idee von Che Guevara mit den "neuen Menschen" auf.

Folgende Massnahmen wurden vom Regime ergriffen:

- Die Musikausbildung stand allen offen und war gratis.
- Eine Musikfabrik wurde eröffnet, in der kubanische Instrumente hergestellt werden.
- Der Nationalrat für Kultur wurde geschaffen, welcher Konzerte und Festivals organisierte.
- Die Erforschung des nationalen Kulturguts wurde gefördert.

Ab 1962 wurden Musiker vom Staat unter Vertrag genommen und erhielten einen monatlichen Lohn. Der Staat organisierte auch die Konzerte und Tourneen für die Musiker.

Trotz der Euphorie verliessen viele Künstler die Insel und 1961 kam der erste Einschnitt des neuen Regimes. Die Regierung verbot einen Kinofilm und es kam zur ersten kulturpolitischen Debatte im neuen Kuba. Darin sprach Fidel Castro den Satz, der die Kulturpolitik nachhaltig prägte: "Innerhalb der Revolution: Alles! Gegen die Revolution: Nichts!". Dieser Schlüsselsatz enthält nichts wirklich Konkretes, alles kann erlaubt sein, alles kann aber auch verboten werden. Er legte die Verantwortung in die Hände der Funktionäre, die beurteilen mussten, was für und was gegen die Revolution war. Die Kulturschaffenden waren somit den Funktionären ausgeliefert.

Die Aussage betraf auch die Musik. Der Jazz und Rock wurden mehr oder weniger verboten, da sie Musik des kapitalistischen Feindes waren. In dieser Zeit bewegte sich die kubanische Jazzband "Irakere" auf sehr dünnem Eis, bzw. zeigte ihre jazzige Seite in den vier Wänden von Freunden und auf öffentlichen Konzerten ihr für das System korrekte Gesicht. Der internationale Erfolg der Band stimmte die Funktionäre jedoch langsam aber sicher um und so fand 1980 das erste Jazzfestival in Kuba statt. Dafür musste Bobby Caracassés jedoch die Funktionäre überzeugen, dass der Jazz keine imperialistische Musik war, sondern die der unterdrückten, farbigen Bevölkerung. Zwei Jahre später spielten bereits schon Grössen wie Dizzy Gillespie und Charile Haden in Havanna. Heute hat das Jazz-Festival in Kuba einem festen Platz in der Agenda des Jazz.

Anhand des Jazz lässt sich gut erkennen, wie das kubanische System in Sachen neuer Musikrichtung funktioniert. Zuerst wird es verboten, dann unterdrückt und anschliessend erlaubt. Dasselbe ist dem Rock, dem Hip Hop und dem Reggaeton widerfahren. Das ist auch ein Grund, warum die Kubaner in Sachen Musiktrends immer ein bisschen mit Verspätung kommen.

Nueva Trova

Die erste musikalische Bewegung nach der Revolution war eine Bewegung für die Revolution. Viele junge Musiker waren auf der Suche nach einer neuen Ausdrucksform für die neuen Lebensumstände und so entstand die Nueva Trova, welche ihre Vorbilder in nueva cancion hatte. Die Texte der nueva cancion handelten von der Unterdrückung und Not in den lateinamerikanischen Ländern. Die Jungen Musiker orientierten sich aber auch an Bob Dylan und den Beatles und wurden daher zu Beginn von den Funktionären genau unter die Lupe genommen. 1972 wurde vom Staat offiziell die Bewegung "Nueva Trova" gegründet und so hatten die Musiker Zutritt zu Radio und Fernsehen, was einen regelrechten Nueva Trova-Boom auslöste. Die bekanntesten Vertreter sind Pablo Milanés, Silvio Rodriguez, Noel Nicola und Vicente Feliu.

Doch die Kulturpolitik blieb unberechenbar. Dies hängte in erster Linie mit dem grossen Bruder UDSSR zusammen. Kuba befürwortete den Einmarsch der Sowjetunion in Prag und die Revolution wurde anschliessend nach dem Vorbild der Sowjetunion institutionalisiert. Kulturpolitische Debatten gab es nach 1971 nicht mehr und Fidel Castro erklärte im selben Jahr: "Die Kunst ist eine Waffe der Revolution. Ein Produkt der kämpferischen Moral unseres Volkes. Ein Instrument gegen die feindliche Unterwanderung." Diese restriktive Politik änderte sich erst 1976 wieder, als das Kulturministerium gegründet wurde. Unter der Leitung von Armando Hart Davalos brachen für die Kulturschaffenden bessere Zeiten an, auch wenn es eine Weile dauerte, bis das Eis gebrochen war und sie Vertrauen in das neue Ministerium schöpften.

Die nächste grosse Veränderung kam mit dem Zusammenbruch der UDSSR. Es war für die meisten Beobachter nur eine Frage der Zeit, bis Kuba ebenfalls zusammenbrechen würde. Doch Fidel Castro gab nicht klein bei. Obwohl die Devisen und das Erdöl von der UDSSR fehlten, biss sich das Regime unter grossen Opfern, die vor allem die Bevölkerung zu tragen hatte, durch. Die Jahre von 1990–1994 waren für die Kubaner extrem hart. Es fehlte an allem. Das Regime führte 1993 in ihrer Verzweiflung sogar den Dollar als Parallelwährung ein. Am 5. August 1994 spitzte sich die Lage zu und zum ersten Mal in der Geschichte der Republik Kuba kam es zu Aufständen in den Strassen von Havanna. Fidel Castro höchstpersönlich beendete den Aufstand ohne Blutvergiessen. Der Aufstand blieb im Regime nicht ohne Folgen und so wurden die Grenzen für einen Monat geöffnet. Über 32'000 Kubaner flüchteten in dieser Zeit auf selbstgebauten Flossen Richtung Miami.

Der zweite Schritt, der das Regime einführte, brachte die erhoffte Wende. Der Markt für die Agrarwirtschaft wurde mehr oder weniger privatisiert und ein Jahr später wurden kleine Restaurants zugelassen. Als sich der Staat einige Jahre später gefangen hatte, zogen sie die Schrauben wieder an. Die Kontrollen wurden verschärft und viele Reformen wieder rückgängig gemacht.

Für die Musik war der Zusammenbruch ein Schock. Das staatliche Plattenlabel EGREM brachte 1991 gerade noch 12 Alben auf den Markt. Doch die Krise beherbergte auch eine grosse Chance. Das Regime war auf der Suche nach Devisen und so wurde den Musikern gestattet, Plattenverträge mit ausländischen Firmen zu unterzeichnen. So entstanden 1992 auf Kuba neue Labels und Scouts von amerikanischen Musikfirmen wurden wieder auf der Insel gesichtet. Ein weiterer Vorteil der Marktöffnung war die Qualität der Aufnahmen. Es entstanden neue Studios auf der Insel mit modernem Equipment. Für die Kulturschaffenden war es nicht einfach, sich von einem Tag auf den anderen dem freien Markt anzupassen. Für sie war es ein Schock, den Spielregeln des Marktes ausgeliefert zu sein, doch packten die Meisten die sich bietende Chance. Durch die Öffnung erkannten die Künstler und das Regime auch, dass die kubanische Musik ihren Platz in der Welt verloren hatte. Langsam spielten sich die Kubaner in den Markt zurück. So machten 1998 6000 kubanische Musiker 900 Tourneen durch 52 Länder. Der Durchbruch kam aber 1999 mit Buena Vista Social Club. Der Film von Wim Wenders brachte die traditionelle kubanische Musik zurück in die Herzen der Menschen, wo sie heute wieder einen festen Platz besitzt.

 


Weiter geht es mit dem Timba ->